Im Rahmen seiner Bauhaus Jubiläums-Residenz im Sommer 2019 setze sich Jay Gard (geb. 1984 in Halle/Saale) intensiv mit den zur Bauhauszeit entwickelten Möbeln auseinander. „Der B 9 von Marcel Breuer mit seiner genialen Formgebung und dem perfekten Zusammenspiel von gebogenem Metall und der rechteckigen Holzplatte ist für mich viel mehr als ein Möbel, es handelt sich um ein beeindruckendes Kunstwerk“, so Jay Gard. Als die Stiftung Bauhaus Dessau ihn fragte, ob er eine Sonderedition des B 9 als Besucherhocker für das neue Museum gestalten möchte, zögerte er nicht lange. Denn auch die Geschichte hinter Marcel Breuers Stahlrohrhocker B 9, einer Ikone des modernen Designs im 20. Jahrhundert, faszinierte ihn. Gropius und Breuer selbst stritten seinerzeit um die Frage, inwieweit es sich bei dem Hocker um ein Massenprodukt oder um einen künstlerischen Entwurf handelt. Die Kollektionen „Margaretha“ und „Margaretha 2“ als Zusammenspiel von Breuers Design, Reichardts Farben und Gards Interpretation ergeben eine neue künstlerische Arbeit, in welcher die alte Kontroverse um individuelle Autorenschaft ein Echo findet.
Als Ausgangspunkt für sein neues Werk wählte Jay Gard einen handgewebten Kinderteppich von Margaretha, genannt Grete Reichardt, einer erfolgreichen Gestalterin aus der Textilwerkstatt des Bauhauses: „Sowohl die Materialität und Farben des gewebten Textils, das ebenfalls Teil der Ausstellung ist, als auch die Tatsache, dass es sich um ein Kunstwerk mit Gebrauchswert handelt, fand ich absolut spannend“, erklärt Gard die Wahl seines Bezugsobjekts. Er splitterte den Teppich in seine einzelnen Farben auf, durch Schattenspiel und Reflektionen kamen weitere Farbtöne hinzu. So ergaben sich ca. 30 Nuancen, die der Künstler auf den 100 Platten der Besucherhocker frei kombinierte. Die Sitzfläche gestaltete er dabei jeweils monochrom, an den Seiten und unten drunter ließ er jeweils mehrere Farben fächerartig zusammenspielen, so dass jeder Hocker ein Unikat darstellt. Die speziellen, sehr fein pigmentierten Acrylfarben trug Gard im Rahmen seines Bauhausaufenthalts im Meisterhaus Schlemmer per Rolle auf die Holzplatten auf.
Das Möbel, welches ursprünglich Teil von Breuers vierteiligem Satztischset (B 9 a-d) ist, hat genau die richtigen Maße für einen flexibel einsetzbaren Hocker, der von den Besucher*innen des Museums genau da platziert werden kann, wo sie gerne entspannt sitzend die umliegenden Exponate betrachten möchten. „Jeden Tag entstehen neue Anordnungen der Hocker. Durch diese spielerische Aktion spüren die Besucher*innen sehr konkret, wie Farben miteinander wirken. Ich bin sicher, dass ein solch körperliches Erlebnis von Farben, eine Menge Kreativität freisetzt“, schwärmt der Künstler, der sich seit vielen Jahren mit Farbharmonien und -zusammenhängen auseinandersetzt.